Gemüsewissen

Ernte sei Dank! Ernte-Riten von der Antike bis heute

Kulte um die Ernte gab es wahrscheinlich schon seit die Menschen sesshaft geworden waren und Nutzpflanzen anbauten. Der Stellenwert des Ernteertrags gerade für frühe Zivilisationen ist nicht zu unterschätzen, entschied er doch oft über die Überlebenschancen von ganzen Dorf- und Siedlungsgemeinschaften. Bis heute hat sich diese Tradition vielerorts erhalten. Komm mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Erntedanks!

Ährensache: Opferkulte für Demeter und Ceres

Ceres-Skulptur in den Vatikanischen Museen (2. Jh. n. Chr.). Deutlich erkennbar das Ährenbündel in der rechten Hand (Wikimedia Commons / gemeinfrei)

Sowohl im antiken Griechenland als auch im Römischen Reich sind Erntekulte schon vor der Zeitenwende nachgewiesen. Während die Griechen Demeter verehrten, galt in der römischen Mythologie Ceres als Göttin der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus. Der Ceres-Kult lässt sich bis ins 7. Jh. v. Chr. zurückverfolgen und fand seinen Höhepunkt bei den alljährlichen Erntefesten, den Cerialia, die fester Bestandteil des römischen Festkalenders waren.

Anders als der heutige Erntedank begannen die Feierlichkeiten zu den Cerialia bereits Mitte April, nachdem die ersten Ernten eingefahren waren. Vor dem Ceres-Tempel nahe des Circus Maximus wurden zahlreiche öffentliche Opfergaben dargebracht, wobei es sich meist um Spenden von wohlhabenden Römern handelte: Neben Getreide und Früchten aller Art auch Brot, Salz, Honig und Kuchen.

Darüber hinaus wurden Ceres Tieropfer dargebracht, in der Regel handelte es sich um ein Schwein. Das in der Erde wühlende Tier stand dabei sinnbildlich für den Acker-Aufbruch, also das Aufgraben der Erde zur Einbringung der Saat. Darüber hinaus kannte die antike Mythologie viele weitere Göttinnen und Götter, die im Zusammenhang mit Landwirtschaft Ackerbau verehrt wurden – wie etwa den Jahreszeitengott Vertumnus.

Die bekannteste Anspielung auf Vertumnus ist das 1591 von Giuseppe Arcimboldo gemalte Portrait Rudolfs II. von Habsburg, das zahlreiche Feldfrüchte darstellt. (Wikimedia Commons / gemeinfrei)

Erntedank im Christentum

Die biblischen Opfergaben von Abel (Lamm) und Kain (Korngarbe) im Codex Palatinus germanicus (15. Jh.)

Die rituelle Darreichung von Erntegut findet bereits am Anfang der Bibel Erwähnung. So heißt es in Genesis 4,3 über den Ackerbauern Kain: "Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar". Der weitere Ausgang der ersten Kriminalgeschichte des Christentums ist bekannt: Gott nahm Abels Lammopfer an, verschmähte aber Kains Erntegabe – worauf hin dieser seinen Bruder im Zorn erschlug.

Als christlicher Ritus hat sich der Erntedank ab dem 3. Jahrhundert etabliert und breitete sich mit der Christianisierung in ganz Europa aus. Die weitläufige Verbreitung machte es unmöglich, einen gemeinsamen Stichtag für das Erntedankfest zu finden; zu unterschiedlich waren die Erntezeitpunkte in den verschiedenen Klimazonen.

Bis heute herrscht unter den einzelnen Konfessionen keine Übereinkunft, wann das Erntedankfest begangen werden soll: In der römisch-katholischen Kirche Deutschlands gilt seit 1972 der erste Oktobersonntag als offizieller Erntedanktag. Auch viele österreichische Katholik*innen begehen an diesem Tag ihr Erntedankfest. Anders berechnet wird der Stichtag der evangelischen Kirchen: Hier soll Erntedank am ersten Sonntag nach Michaelis (29. September) gefeiert werden – der in den meisten Fällen ebenfalls auf den ersten Oktobersonntag fällt.

Kirchlicher Erntedank-Altar

Geschmückte Altare mit allen möglichen Feldfrüchten sowie Erzeugnisse aus der Ernte wie Brot und Kuchen findet man zur Herbstzeit in vielen Kirchen. Zum Erntedank-Liedgut gehört unter anderem "Wir pflügen und wir streuen", das 1783 von Matthias Claudius gedichtet wurde.

Neben dem kirchlichen Erntedank haben sich zahlreiche regionale Feste und Traditionen erhalten. So etwa das "Sichlete" oder "Chästeilet", bei dem in vielen Schweizer Gemeinden der Alpabzug gemeinsam mit dem Erntedank gefeiert wird. Zahlreiche Städte zelebrieren die eingefahrene Ernte zudem mit gewaltigen Festzügen, an denen wie beispielsweise in Fürth bis zu 90 Wagen teilnehmen.

Auch das alljährlich im Herbst stattfindende Cannstatter Volksfest hat landwirtschaftliche Wurzeln. Daran erinnert noch heute die 26 Meter hohe Fruchtsäule mitten auf dem Cannstatter Wasen, die am Fuße und auf der Krone mit überdimensionierten Feldfrüchten geschmückt ist.

Fruchtsäule auf dem Cannstatter Volksfest

Thanks, Ernte! Erntedankriten rund um die Welt

Gedeckte Thanksgiving-Tafel

Ein Feiertag im Wortsinne ist der Erntedank in den USA. "Thanksgiving" findet verhältnismäßig spät statt: am vierten Donnerstag im November. An diesem arbeitsfreien Tag versammelt sich oft die ganze Großfamilie, um das Fest traditionell mit einem Truthahnessen zu begehen – auch wenn in den letzten Jahren vegetarische und vegane an Bedeutung gewinnen.

Bis ins 8. Jahrhundert zurück datiert das japanische Erntedankfest Niiname-sai. Ursprünglich sah das Ritual vor, dass der Kaiser den Göttern frischen Reis zu opfern hatte. Auch in Japan ist dieses Fest zum gesetzlichen Feiertag geworden, den die Japaner*innen am 23. November begehen.

Erntedankfeier auf dem Acker der Peter Dewes Gemeinschaftsschule im saarländischen Losheim, die an der GemüseAckerdemie teilnimmt (Acker e. V.)

Sogar in kleinerem Kreise ist der Erntedank ein beliebter Anlass für Geselligkeit und Feierlichkeiten. So zum Beispiel an den Lernorten der Bildungsprogramme GemüseAckerdemie und AckerRacker von Acker e. V., bei dem Schul- und Kitakinder ihr eigenes Gemüse anbauen. Viele (aber nicht nur) konfessionelle Schulen und Kitas schmücken ihren Acker mit geerntetem Gemüse, singen Lieder und führen sogar kleine Theaterstücke auf.

Feierst du auch Erntedank? Ob im eigenen Garten oder bei einem größeren Festzug – schick uns gerne deine Fotos an hallo@black-turtle.de!

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